Man nahm an, dass der menschliche Organismus wie ein Kessel funktioniert. Zum Leben benötigt er Energie, die er über die Nahrung zuführt. Auf der einen Seite hat man also die Energiezufuhr, auf der ändern Seite den Energieverbrauch. Das Übergewicht kann also nur die Folge eines Ungleichgewichtes zwischen der Energiezufuhr und des Energieverbrauchs sein. Dies bedeutet, dass die zusätzlichen Pfunde nichts anderes sind als ein Energiespeicher. Dies kann nun heißen, dass entweder eine zu große Energiezufuhr oder ein zu geringer Energieverbrauch stattgefunden hat.
Wenn man nun Übergewicht hat, liegt dies entweder daran, dass man zu viel gegessen oder sich zu wenig körperlich betätigt hat, oder beides gleichzeitig. Aus dieser allzu vereinfachten Hypothese, die im Grunde eine gewisse Logik enthält, ist die kalorienreduzierte Ernährungstheorie entstanden. Da die Energiezufuhr in Kalorieneinheiten ausgedrückt werden konnte, war man in der Lage, sämtliche Nahrungsmittel auf der Grundlage ihres Gewichts und ihrer Zusammensetzung (Kohlenhydrate, Fette, Proteine) nach ihrem Kaloriengehalt einzuteilen. Dennoch war diese Überlegung bereits zu Beginn mit Fehlern behaftet, da man die verzehrten Kalorien zählte, ohne zu berücksichtigen, was sich tatsächlich bei der Verdauung abspielt.
Daraus ist dann die herkömmliche Diätetik entstanden, die restriktiv ausgerichtet ist, da sie auf einer kalorienreduzierten Ernährungsmethode beruht.
Indem die Diätetik den täglichen Kalorienbedarf des Menschen auf etwa 2 500 Kalorien festlegte, lieferte sie die Erklärung, dass das Körpergewicht durch die tatsächliche Kalorienzufuhr in die eine oder andere Richtung beeinflusst werden kann.
Wenn man also 3 000 Kalorien am Tag zu sich nimmt, entsteht ein Überschuss von 500 Kalorien, der im Körper gespeichert wird, was eine Gewichtszunahme zur Folge hätte.
Wenn man dagegen mit 2 000 Kalorien auskommt, ist ein Defizit von 500 Kalorien vorhanden, was den Organismus veranlasst, seine Fettreserven anzugreifen, um den Unterschied auszugleichen, wodurch ein Gewichtsverlust eintreten würde.
Die Kalorientheorie besagt also, dass man lediglich weniger essen muss, um abzunehmen und dass man, wenn man zunimmt, zu viel isst.
In den letzten Jahrzehnten stand dieses allzu vereinfachte Schema, das auf einem naiven Denkansatz beruht, in der Diätetik im Vordergrund. Leider wird es immer noch offiziell in den Krankenhausabteilungen für Ernährung propagiert und in den Diätetikschulen gelehrt.
Doch wer die Kalorienmethode zugrunde legt, wie es sämtliche Diätetikspezialisten immer noch tun, lässt absichtlich die Anpassungs- und Regulierungsmechanismen des menschlichen Körpers außer Acht, leugnet die individuellen Besonderheiten, die aus jedem Menschen ein einzigartiges Wesen machen, und ignoriert den Einfluss der Qualität der Nahrung.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Auffassung ist der Fettleibige nicht unbedingt jemand, der zu viel isst. In der Mehrheit der Fälle ist es sogar umgekehrt. Statistiken über die fettleibige Bevölkerung (in Frankreich, wie in allen anderen westlichen Ländern) zeigen, dass:
– lediglich 15 % der Fettleibigen zu viel essen (2 800 bis 4 000 Kalorien);
– 35 % der Fettleibigen normal essen (2 000 bis 2 700 Kalorien);
– 50 % der Fettleibigen wenig essen (800 bis 1 500 Kalorien).
Bei Profisportlern lässt sich im Übrigen feststellen, dass für ein konstantes Körpergewicht die Kalorienzufuhr zwischen 2 500 und 9 000 Kalorien betragen kann, was nicht von der Sportart, sondern von der Konstitution der Einzelperson abhängt.
Mit einer Zufuhr von gerade 2 000 Kalorien am Tag hielt der Marathonläufer Alain Mimoun sein Gewicht und absolvierte erfolgreich sein hartes Training, während der Radrennfahrer Jacques Anquetil 6 000 Kalorien benötigte, um sein Gewicht zu halten und in Form zu bleiben.
Obwohl sich die medizinische Literatur auf diesem Gebiet seltsamerweise zurückhaltend gezeigt hat, wurden dennoch eine große Anzahl von Untersuchungen veröffentlicht, die zeigen, dass die Kalorienzufuhr keinen Einfluss darauf hat, ob man dünn, normal oder übergewichtig ist. Es gibt tatsächlich keinen bedeutenden Zusammenhang zwischen dem Übergewicht und der Kalorienzufuhr.
Doch am besten überzeugt man sich von der Wirkungslosigkeit der kalorienreduzierten Ernährungsmethode, wenn man die Resultate in dem Land analysiert, in dem sie täglich angewendet wird, nämlich in den USA.
Seit fünfundvierzig Jahren befolgen achtundneunzig Millionen Amerikaner ständig kalorienreduzierte Diäten. Der Gedanke an Kalorien ist bei ihnen allgegenwärtig. Durch die Beeinflussung der verschiedenen Medien und insbesondere durch die Werbung ist diese Ernährungsmethode in den Köpfen der Menschen fest verwurzelt.
Um auch sicherzugehen, Erfolge zu erzielen, sind die Amerikaner, die bei allem immer bis zum Äußersten gehen, nicht nur darum bemüht, Kalorien zu zählen, sondern sie achten auch zwanghaft darauf, dass sie sich viel körperlich betätigen, um sicher zu sein, so viel Kalorien wie möglich zu verbrauchen. Statistiken hinsichtlich der Fettleibigkeit in den USA zeugen jedoch von einer katastrophalen Situation.
Obwohl mehr als ein Drittel der Bevölkerung konsequent die kalorienreduzierte Diätmethode anwendet und sich jeden Tag intensiv körperlich betätigt, sind paradoxerweise die Amerikaner weltweit am dicksten.
Zwei Drittel der Bevölkerung hat Übergewicht, gegenüber einem Drittel in Frankreich, und jeder dritte Amerikaner ist fettleibig, gegenüber jedem zwanzigsten in Frankreich. Einen richtigen Vergleich zwischen den leicht übergewichtigen Franzosen und den extrem übergewichtigen Amerikanern – Menschen mit einem Körpergewicht von mehr als dreihundert Kilo sind dort keine Seltenheit – zu ziehen, ist, wohlbemerkt, nicht möglich.
ln einem Dokumentarfilm über die Fettleibigkeit in den USA, der im November 1990 im ersten französischen Fernsehprogramm ausgestrahlt wurde, zeigte man einen Betroffenen, der vierhundertsechzig Kilo wog, und im Guiness Buch der Rekorde ist zu lesen, dass das höchste Körpergewicht, das ein Mensch jemals auf die Waage gebracht hat, sechshundertzwanzig Kilo beträgt. Es handelte sich dabei natürlich um einen Amerikaner.
Wer verstehen will, warum die kalorienreduzierte Ernährungsmethode, die seit vierzig Jahren propagiert wird, von Erfolglosigkeit geprägt ist, kann dies am leichtesten am Beispiel der USA nachvollziehen. Doch in all den westlichen Ländern, in denen diese Methode genauso konsequent angewendet wurde, sind die Resultate genauso katastrophal.
Wir haben gewusst, dass die kalorienreduzierte Ernährungsmethode wirkungslos ist, da sie immer zu einem Misserfolg führt. Jetzt wissen wir, warum dies so ist. Die Hypothese, auf die sie sich stützt, ist falsch und entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Wir werden in den darauffolgenden Kapiteln sogar zeigen, dass sie gefährlich ist.